Homo Factor

Theoriedarstellung zur Einführung eines nicht unbedingt neuen, aber nötigen Begriffs 14. April 2022, von Oliver Krieger


   Um eine Theorie der Wissenschaft zu formulieren, ist die Einführung eines, zugegebenermaßen nicht sehr originiellen, und auch nicht wirklich neuartigen, aber sehr adäquaten Begriffs notwendig. Homo Factor hat nichts zu tun mit dem Human Factor, mittels welchem eine akzentuierende, tugendhafte Menschlichkeit des Verhaltens paraphrasiert wird, sondern ist diesem Konzept, wohl nicht völlig, aber in vieler Hinsicht eher entgegengesetzt, und steht für den machenden Menschen, d.h. den Menschen, der das Frame-Problem* löst durch den kategorischen oder schnellstmöglichen Übergang von einer zweckentsprechenden Überlegung zur zweckerfüllenden Praxis.

   Der Macker ist ein deutscher Begriff für einen Macher, einen machenden Mann. Dieser ist üblicherweise der Partner einer Frau, diese hat zum Macker eine possessive Beziehung. Der Macker ist "ihr" Macker, der Macker macht, der Macker macht für sie und an ihrer Stelle, der Macker macht sogar seine Frau, der Macker ist eine Art praktisch legitimierte Autorität, würde der Macker nicht machen, wäre er keine Autorität, und nicht "ihr" Macker.

   Der Faschismus ist ein zeitlich begrenztes politisches Phänomen, es begann irgendwann im 20. Jhdt. und endete irgendwann vor dem 21. Jhdt., als es sich zum Postfaschismus wandelte. Faschismus ist ein abgenutztes, ein unbequemes und schlechtes, es ist ein zu politischen Zwecken missbrauchtes Konzept, dessen Umkehrform, der "Antifaschismus" nicht weniger faschistisch ist, wie der Faschismus, und mit diesem zugleich entstand. Faschismus ist ein solch unvorteilhafter Begriff, dass er m.E. beinahe unwissenschaftlich ist.

    Berufliche Praxis kennzeichnet den Mediziner, den Polizisten, den Soldaten, den Arbeiter, u.v.m. Exzessive Gewaltanwendung führte zur Diskriminierung spezifischer Strömungen und Formen dieser Berufsausübungen, wie der Eugenik, oder dem Polizeistaat, dem Militarismus, dem Proletariat. Alle die genannten Gruppen verbindet ein gemeinsames Merkmal, irgendwann mit dem sozialen Denken aufzuhören, und den Menschen zu "machen", zu bewirtschaften, zu versorgen, oder zu verarbeiten.

   Während niemand an Eugeniker denkt, wenn man den Begriff "Faschismus" thematisiert, nur wenige an einen Polizeistaat denken, die meisten an Soldaten denken, und es im allgemeinen die Arbeiter politisch feindlicher Faktionen sind, die zu den Faschisten gerechnet werden, aber nicht die Arbeiter, die man der eigenen Faktion zurechnet, so ist der Begriff "Homo Factor", der machende Mensch, ein quasi unbeschriebenes Blatt.

   Homo Factor gab es schon vor dem Faschismus, als Sklavenhalter, es gibt ihn seit dem Postfaschismus, als Vergewaltiger, es gab ihn während des Faschismus, als autoritären Patriarchen und Pädagogen. Der sehr allgemeine Begriff eignet sich sehr viel besser für den Zweck der Zusammenfassung all derer, die durch exzessiv gewalttätige Soziopraxis notorischen Ruf erlangten, er ist zeitlich indifferent, er gehört keiner politischen Faktion an, er ist anthropologisch und archäologisch genug, um auf die primitiven und primordialen Prototypen des heutigen Menschen hinzuweisen, und den modernen Verhaltensweisen, die an diesen erinnern.

   Das Zeitalter Homo Factors ist offensichtlich, anders als der durch den Postfaschismus verabschiedete Faschismus, alles andere als vorüber. Die exzessive Soziopraxis, die Überbewirtschaftung des Menschen durch den Menschen, und der durch praktischen Exzess verursachte Missbrauch, entspricht ihrem Gegenteil, der Atomisierung der sozialen Beziehungen in einer vollständig zersetzten und zertrennten Gesellschaft, die für die Bewirtschaftung des Menschen, durch seine Machung und sein Gemachtwerden, die hierzu ermächtigten professionalen Agenten und institutionalen Autoritäten parat hat.

   Homo Factor "macht" den Menschen so, oder so, ob durch Aktion, oder durch Passion, und ist darum ein geeigneter Begriff für den Exzess und den Missbrauch beider sozialer Interaktionsweisen. Auf Homo Factor wird in vieler Hinsicht gewartet, Frauen wünschen sich einen "Macker" der an ihrer Stelle macht, der auch die Initiative in zwischenmenschlichen Beziehungen übernimmt, und den Rollenpart der Artikulation nach außen gerichteter problematischer und mühsamer Verhaltensweisen übernimmt.

   Greise wünschen sich eine Pflege, die das macht, was sie nicht mehr selbst machen können, der seinesgleichen instrumentalisierende Mensch versteht Homo Factor mindestens so sehr als einen Fortschritt und einen Vorteil, wie als Rückschritt und Nachteil, die "Rape Culture" wäre nicht denkbar ohne seinen Beitrag.  

   Der Begriff ist allgemein genug, für ausnahmslos jede menschliche Gesellschaft, Kultur, Zivilisation und Epoche herzuhalten. Niemand kann sich vor "Homo Factor" drücken, nicht einmal Homo Factor selbst.

   Prinzipiell hat die menschliche Zivilisation Homo Factor, seine Problematik, und die mit ihm verknüpfte, durch Praxis bedingte mimetische Beziehung begriffen, und begonnen, alle drei zu überwinden, bsp. durch die Einführung regulärer Haftstrafen. Obwohl Kritiker einwenden, die Inhaftierung sei nicht weniger kriminell wie der inhaftierte Kriminelle, so handelt es sich bei diesen Einwänden um unverhältnismäßige, ignorante und subversive Polemik: Gemessen an allem, was mit Kriminellen überhaupt getan werden kann, um kriminelles Übel von der Gesellschaft fernzuhalten, so ist die Haftstrafe sine ceteris, d.h. ohne zusätzliche Haftverschärfungen oder Folter, das zumindest gegenwärtig Beste.  

   Die mit dem gedankenlosen, machenden Menschen verknüpfte Problematik ist erfreulicherweise nicht neu, und jeder Ansatz ihrer Weiterentwicklung, besonders auf staatlicher Ebene, ist prinzipiell zu begrüßen.

 

   * Das Frame-Problem bezeichnet die Problematik, die sich handlungsfähigen Lebewesen und Maschinen stellt, die Folgen eigenen und fremden Handelns vor dem Handeln vernünftig einzuschätzen, und bei der Umsetzung einer anschließenden Handlung richtig zu berücksichtigen, und damit auch die zum selben Komplex gehörige Überlegung, ob die Überlegung vor der Handlung, über die Folgen eigenen und fremden Handelns, nicht sogar besser ist, als das Handeln selbst, und darum Vorrang haben sollte. Das Frame-Problem entstand zum Zeitpunkt der Menschwerdung, es ist ein Inbegriff der Hominisation. Insofern es durch den Posthumanismus nicht überwunden oder transzendiert wird, so ist im Übrigen hierdurch das eher soziopolitische, denn wissenschaftliche Phänomen des Posthumanismus in Frage gestellt.

 

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